Jedes Evangelium, das nur vom Christus-Ereignis spricht, also von der Menschwerdung ohne das Sühnopfer, ist ein falsches Evangelium.
Evangelium ohne das Kreuz. Weihnachten an sich ist kein Evangelium. Das Leben Christi ist kein Evangelium. Selbst die Auferstehung, so wichtig sie im Gesamtbild der Dinge auch ist, ist für sich genommen kein Evangelium. Denn die gute Nachricht ist nicht nur, dass Gott Mensch geworden ist, noch dass Gott gesprochen hat, um uns eine richtige Lebensweise zu offenbaren, oder gar, dass der Tod, der große Feind, besiegt ist. Die gute Nachricht ist vielmehr, dass mit der Sünde aufgeräumt wurde (wofür die Auferstehung ein Beweis ist), dass Jesus stellvertretend für uns ihre Strafe erlitten hat, damit wir sie niemals erleiden müssen, und dass deshalb alle, die an ihn glauben, sich auf den Himmel freuen können. …Die Nachahmung des Lebens und der Lehre Christi ist nur für diejenigen möglich, die durch den Glauben an Jesus als ihren Stellvertreter eine neue Beziehung zu Gott eingehen. Die Auferstehung ist nicht nur ein Sieg über den Tod (obwohl sie das ist), sondern ein Beweis dafür, dass das Sühnopfer in den Augen des Vaters zufriedenstellend war (Römer 4,25) und dass der Tod, die Folge der Sünde, auf dieser Grundlage abgeschafft ist.
Jedes Evangelium, das nur vom Christus-Ereignis spricht, also von der Menschwerdung ohne das Sühnopfer, ist ein falsches Evangelium. Jedes Evangelium, das von der Liebe Gottes spricht, ohne darauf hinzuweisen, dass seine Liebe ihn dazu gebracht hat, den höchsten Preis für die Sünde in der Person seines Sohnes am Kreuz zu zahlen, ist ein falsches Evangelium. Das einzig wahre Evangelium ist das des „einen Mittlers“ (1 Tim 2,5-6), der sich für uns hingegeben hat.
Und schließlich: So wie es kein Evangelium ohne das Sühnopfer als Grund für die Menschwerdung geben kann, so kann es auch kein christliches Leben ohne es geben. Ohne das Sühnopfer wird das Thema Menschwerdung leicht zu einer Art Vergötterung des Menschen und führt zu Arroganz und Selbstüberhöhung. Mit dem Sühnopfer ist die wahre Botschaft des Lebens Christi und damit auch des Lebens des Christen Demut und Selbstaufopferung für die offensichtlichen Bedürfnisse der anderen. Das christliche Leben ist nicht gleichgültig gegenüber denen, die hungrig oder krank sind oder an einem anderen Mangel leiden. Es ist nicht die Zufriedenheit mit dem eigenen Reichtum, weder mit dem Reichtum der Mittelklasse mit Haus und Auto und Kleidung und Urlaub, noch mit dem Reichtum der Bildung oder gar dem geistlichen Reichtum guter Kirchen, Bibeln, Bibellehre oder christlicher Freunde und Bekannter. Vielmehr ist es das Bewusstsein, dass es anderen an diesen Dingen mangelt und dass wir deshalb viele unserer eigenen Interessen opfern müssen, um uns mit ihnen zu identifizieren und sie so immer mehr in die Fülle zu bringen, die wir genießen… Wir werden nur dann voll und ganz für Christus leben, wenn wir bereit sind, wenn nötig zu verarmen, damit anderen geholfen werden kann.
James Montgomery Boice in „Foundations of the Christian Faith“.